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Notes from Outside
Notes from Outside
/Ausgabe 19

Das Paralleluniversum auf dem Tafelberg

Catherine

/Lesezeit: 5 Minuten

Die Natur bietet wunderbare Möglichkeiten, dem Alltag zu entfliehen. Sie hilft uns, die ständig ratternden Gedanken an unsere täglichen Aufgaben zu verlangsamen. Normalerweise lautet die Regel: Je weiter weg von der Zivilisation, desto einfacher das Abschalten. Doch auf dem Tafelberg, wie ich bei einem kürzlichen Besuch in meiner Heimat feststellen konnte, ist das anders. Selbst mit Kapstadts Skyline in Sichtweite fühlt man sich, als wäre man in einer völlig anderen Welt. War es die Hitze? Meine nicht ganz optimale Fitness? Oder hat dieser Berg einfach eine besondere Magie? Ich dachte, ich gehe einfach rauf auf den Berg, um nach den eher hektischen Besuchen bei Bekannten und Verwandten etwas abzuschalten. Doch was ich erlebte, war etwas ganz und gar Unerklärliches. Aber ich versuch trotzdem, es dir zu beschreiben – in dieser Ausgabe von „Notes from Outside“.

Catherine

Chefredakteurin Notes from Outside

Der Tafelberg wird oft unterschätzt.. Von Kapstadts Innenstadt schaut man hinauf und sieht einen massiven Felsen – kein sanfter Hügel, sondern ein echter Berg mit scharfen Kanten und zerklüfteten Klippen. Seine Nähe zum Zentrum lässt ihn irgendwie harmlos wirken, doch darf man nicht vergessen, dass dieser Berg wilde, ungezähmte Natur ist – nicht bloß eine Touristenattraktion. Selbst wenn du einen der belebteren Pfade an der Nordseite hochwanderst, wirst du schnell feststellen, wie schnell du dort in eine völlig andere Welt abtauchst.

Im Januar 2024 wagte ich mich auf eine weniger überlaufene, aber doch beliebte Route des Tafelbergs: die Skeleton Gorge (Skelett-Schlucht). Bereits  nach den ersten anstrengenden 20 Minuten durch dichten Dschungel wurde der Lärm des Stadtverkehrs leiser. Je höher wir kletterten, desto enger wurden die Schluchtwände. Der Gesang der Vögel wurde lauter und die Hitze intensiver. Wir hatten das magische Portal durchschritten.

Wir kämpften uns nach oben, Schritt für Schritt über Baumwurzeln, bis wir schließlich die Kletterleitern erreichten. Als ich vor der ersten Leiter stand, wurde mir bewusst, dass ich sie völlig anders in Erinnerung hatte. Obwohl das Dach aus Baumkronen den Aufstieg weniger riskant erscheinen ließ, war es doch nicht so harmlos, wie es mir früher vorkam. Es fühlte sich immer noch so an, als würde man eine steile Klippe erklimmen, wenn auch mit einigen Felsen und Pflanzen, die im Notfall das Abrutschen ein wenig bremsen würden. Ich konzentrierte mich auf das Moos, das auf dem Granitfelsen wuchs, und setzte meine Hände und Füße vorsichtig auf jede Sprosse.

Nach einer kleinen Ewigkeit erreichten wir einen offenen Zickzack-Pfad – und waren erstmal erleichtert darüber, dass wir die Leitern gemeistert hatten. Hier wurde uns klar, wie hoch wir bereits gestiegen waren. Wieder erschienen Stadt, Meer und die Berge jenseits der Bucht vor uns, doch war es so, als würde uns ein unsichtbares Kraftfeld von ihnen trennen. Wir wandten uns wieder dem Berg zu und folgten dem Serpentinenweg weiter nach oben, bis zum oberen Rand der Schlucht. Hier bog der Pfad rechts auf den Smuts Track ab, der in nördlicher Richtung über den Gipfel des Berges führt.

Wir folgten dem Pfad durch die Fynbos (feinblättrige Pflanzen, die in dieser Gegend heimisch sind) Richtung Maclear’s Beacon, dem höchsten Punkt des Tafelbergs. Zur Ostseite öffnete sich uns der Blick auf die Stadt, auf ihre winzigen Häuser und winzigen Autos, auf die winzigen Menschen, die dort ihr winziges Leben leben …

Im Süden erstreckte sich ein 50 Kilometer langes Sandsteingebirge bis zur Spitze der Halbinsel, im Westen blickten wir auf 7.000 Kilometer ununterbrochenen Ozean. Wenn du dich hier einmal komplett um deine eigene Achse drehst, um das ganze Panorama aufzunehmen, verschwimmen deine Sinne für Ort und Raum. Du fühlst dich wie der einzige Mensch auf dem Berg, und der Berg fühlt sich an wie das ganze Universum.

In diesem Bewusstseinszustand fühlte sich der Smuts Track an wie ein Abenteuer im Wunderland. Der Pfad schlängelte sich bergauf, gesäumt von roten Disa-Blumen, unzähligen, blütenlosen Proteapflanzen und anderen kleinen, zweigigen Sträuchern. Dann ging es plötzlich bergab. Wir befanden uns auf einem Holzsteg, der über feuchten Boden führte, schoben stachelige Restio-Pflanzen beiseite – direkt vor uns ein massiver Granitblock. Die grandiosen Ausblicke waren vorübergehend verschwunden, stattdessen konzentrierten wir uns auf die Feinheiten des Trails. Wir hielten die Augen gesenkt, um kaputte Stege zu umgehen, nur ein kleiner Honigsauger, der unseren Weg kreuzte, bekam unsere Aufmerksamkeit. Dann noch eine Leiter. Und noch mehr Gekletter. An diesem bis dahin heißesten Sommertag erreichten wir die Spitze des Anstiegs und trafen auf eine Gruppe Wanderer:innen, die sich im Schatten eines einzelnen Felsblocks drängten. Wir überraschten sie. Auch sie waren so in ihre Bergträumereien vertieft, dass sie alle anderen Menschen hier auf dem Pfad völlig vergessen hatten. Wir marschierten weiter. Weiter aufwärts.

Wir waren kurz vor dem Maclear’s Beacon und die Skyline wurde wieder überall sichtbar. Eine letzte Leiter lag noch vor uns, und als wir oben standen, verschwand das Kraftfeld, das uns von der Welt trennte. Wandergruppen und elegant gekleidete Tourist:innen machten hier abwechselnd Fotos auf dem höchsten Punkt der Stadt.

Von hier an war es ein entspannter Spaziergang auf einem ebenen, zementierten Weg zur Seilbahnstation. Ein letzter surrealer Moment ereignete sich, als der Hubschrauber des Nationalparks vorbeischwebte. Die in Kaki gekleideten Ranger lächelten und winkten uns aus 20 Metern Höhe zu, während das Dröhnen des Hubschraubers die Gespräche der Tourist:innen übertönte.

Eine Stunde später, nach der Seilbahnfahrt ins Tal und der Taxifahrt zum Restaurant, saßen wir in der City und aßen zu Mittag. Die Kanten und Klippen des Berges verschwammen wieder zu dem vertrauten Granitfelsen, der über der Stadt thront. Er ließ uns erneut glauben, dass nur die Welt, wie wir sie kennen, existiert. Und kein Paralleluniversum.

Text und Fotos von Catherine Sempill

Catherine ist Content Managerin für das komoot Adventure Hub. Sie ist in Südafrika aufgewachsen und erkundete schon als Kind gern die weite und wilde Natur. Mittlerweile lebt sie in Großbritannien und wandert, radelt oder läuft durch die englische Landschaft. Und das in einem außergewöhnlich entspannten Tempo.

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